Benjamin und David Geisser verwirklichen ­ihren Kindheitstraum

Reto E. Wild – 09. Januar 2025
David Geisser ist ein erfolgreicher Unternehmer und setzt nun um, wovon er schon lange spricht: Er möchte zusammen mit einem jungen Team um seinen Bruder Benjamin mit dem Restaurant Soleil d’Or in St. Gallen den Sternehimmel erobern.

Das acht Gehminuten vom Bahnhof St. Gallen entfernte Gourmetrestaurant ist jeweils von Dienstag bis Samstag geöffnet. Benjamin ist Chef von sechs Leuten in der Küche, dem erst 20-jährigen Barmanager David Fraundorfer (siehe Kästchen) sowie drei Serviceangestellten. Die Gäste sind ab  17.30 Uhr an der Bar willkommen, ab 18.30 Uhr geht es mit dem Abendservice los. Mittags ist das Restaurant geschlossen.

Benjamin informiert: «Es gibt jeweils nur ein einziges Menü ab vier Gängen. À la carte bieten wir nicht an. Das Fünfgangmenü kostet 198 Franken, die Weinbegleitung 98 Franken für fünf verschiedene Gläser, die alkoholfreie Alternative hat den gleichen Preis. Vegan können wir nicht bieten. Wer aber beispielsweise allergisch auf Fisch ist, erhält statt Fisch von den anderen Komponenten des Gerichts mehr auf den Teller.»

Und er betont: «Ich bin mit 26 der zweitälteste in der Küche. Die meisten sind zwischen 19 und 24 Jahren jung. Ich bin megahappy mit dem Team. Es ist wichtig, dass wir alle unsere Kreativität ausleben können. Jeder lernt eine Handschrift eines Kochs. Für die Jungen ist es aber entscheidend, dass sie sich in der Karte einbringen können.» Es sei schön, wenn ein Koch von sich sagen kann, er habe ein Gericht entwickelt. «So fliesst viel mehr Liebe ins Essen ein», ist Benjamin Geisser überzeugt.

Im talentierten und kreativen Jungkoch schlummerten schon seit acht Jahren Ideen für ein eigenes Konzept und ausgefallene Gerichte. Er dachte an Pralinen mit Lachgas, liess diese Idee dann aber fallen. Ihm sei wichtig, dass die Gäste nicht nur essen und geniessen, sondern intellektuell gefordert werden. «Jan-Philipp Berner vom Söl’ring Hof auf Sylt steht für nordische Küche mit Sylter Regionalitäten, Tim Raue für auf die Fresse asiatisch, wie er sagt. Ich möchte einen anderen Weg gehen und jeweils ein Thema in den Vordergrund stellen, alle zwei bis drei Monate der Saisonalität angepasst.»

Nachhaltigkeit und Regionalität werden, so Geisser, dennoch eine wichtige Rolle spielen. «Meine Produkte sollen möglichst aus der Region stammen, etwa Fleisch von einer St. Galler Metz­gerei oder Fisch vom Bodensee.» Oona-Kaviar ist ein Partner, es werde aber auch Austern aus Frankreich geben. Und sein Bruder ergänzt: «Wir streben einen grünen Michelin-Stern an, weil uns Nachhaltigkeit wichtig ist. So sind wir aufgewachsen, so arbeiten wir in unserem Kochstudio.» Schon ihre Eltern hätten ein Biogeschäft geführt, was dazu führte, dass jedes Familienmitglied wusste, von welchen Hühnern die Eier stammten.

Benjamin Geisser weiss glasklar, was er will: Sein erstes Menü im Soleil d’Or macht Grimms Märchen «Der Wolf und die sieben Geisslein» zum Thema. «Jeder Gang von den Snacks über die Amuse-Bouches bis zum Hauptgang ist ein Märchen für sich, etwa mit Gitzi, Schwarzwurzeln und fermentierten Johannisbeeren. Das aktuelle Dessert besteht aus Lebkuchen, Birnen, Kardamom und Vanille und ist Hänsel und Gretel gewidmet.» Der jüngere Bruder kann sich vorstellen, bei der nächsten Menükreation die Schweiz zu thematisieren, weil alle 200 Höhenmeter andere Dinge wachsen. Aber er möchte sich nicht in eine asiatische Ecke oder eine schweizerisch-alpine pressen lassen und betont: «So können wir uns kreativ entfalten.»

Ziel: Zwei Michelin-Sterne

Welche Rolle spielt Unternehmer David Geisser in diesem Vorhaben? «Ich bin Konzeptgeber und verantwortlich, dass es läuft. Mir sind flache Hierarchien wichtig. Benj will ich nicht dreinreden.» Die Konstellation erinnert an Lokale wie Artis by Tristan Brandt oder die Igniv-Betriebe by Andreas Caminada. Die Ambitionen und der Ehrgeiz sind freilich ähnlich hoch, räumt der ältere Geisser-Bruder ein: «Mein Kindheitstraum ist, einst zu den 50 besten Restaurants der Welt zu gehören. Mit diesem Team und dieser Location haben wir eine Chance.» Wird er konkret auf die Michelin-Sterne angesprochen, sagt David Geisser: «Schon ein Stern ist genial. Aber wir möchten uns zwei Sterne als Ziel setzen. Einen dritten Stern zu erreichen, wird sehr schwierig.»

Er ist überzeugt, dass das nur drei Gehminuten entfernte und mit 18 GaultMillau-Punkten und zwei Michelin-Sternen dekorierte Einstein Gourmet motivierend wirkt. Wird die Ostschweiz zur neuen Gourmethochburg der Schweiz? Das Soleil d’Or wäre mit dem Jägerhof und dem Einstein St. Gallens drittes Sternerestaurant.