Wie wollen Sie Gastro­Suisse zum innovativsten Verband machen?

Reto E. Wild – 19. Dezember 2024
Mit Beat Imhof einen neuen Präsidenten, mit Pascal Scherrer seit Juli 2023 einen neuen Direktor: GastroSuisse befindet sich im stärksten Wandel der vergangenen Jahre. Wie funktioniert das Gespann? Wohin geht die Reise des Verbands? Was dürfen die Mitglieder erwarten? Die Antworten gibt es im ­Exklusivinterview des GastroJournals!

Beat Imhof, was ist Ihre persönliche Bilanz nach über 150 Tagen im Amt als Präsident von GastroSuisse?
Beat Imhof: Es wird immer klarer, wo wir welchen Hebel ansetzen wollen. Wir arbeiten sehr lösungsorientiert und profitieren von einem guten, gegenseitigen Verständnis in der Geschäftsleitung und im Vorstand. Das ist angesichts der kurzen Zeit bemerkenswert und erfreulich.

 

Was hat Sie nach dem Amtsantritt am meisten beeindruckt?
Beat Imhof: Die Breite der Themen, die wir für unsere Mitglieder bewirtschaften. Und das Engagement der Geschäftsstelle und des Vorstands: Alle sind bereit, sich stark für unsere Mitglieder einzusetzen und jeden Tag viel zu bewegen.

 

Wie gut ist GastroSuisse unterwegs?
Beat Imhof: Der Verband ist sehr gut aufgestellt. Wir haben eine stabile Zahl von Mitgliedern. Wir arbeiten in einer Branche, die gut läuft und sehr gesellschaftsrelevant ist. Darauf können wir aufbauen.
Pascal Scherrer: Auch auf der Geschäftsstelle sind wir leistungsorientiert und setzen den Fokus auf den Nutzen für unsere Mitglieder. Denn sie sind unsere Daseinsberechtigung. In der Administration wollen wir in der Neuzeit ankommen: Wir haben in den Themen Digitalisierung und IT-Systeme Nachholbedarf. Chancen ergeben sich auch aus einer noch professionelleren Bewirtschaftung unserer Immobilien.

 

Wie teilen Sie sich die Arbeit auf?
Beat Imhof: Pascal führt die Geschäftsstelle operativ. Sobald ich zu stark reinrede, bekomme ich eines auf die Finger (lacht). Im Ernst: Wir haben einen guten Dialog und entwickeln die Abgrenzungen stetig. Ich bin der Aussenminister, Pascal der Innenminister.

 

Was sind Ihre wichtigsten Gemeinsamkeiten?
Beat Imhof: Wir wollen den Verband gemeinsam weiterentwickeln. Wir wollen vorwärtskommen und sind beide ehrgeizig. Und wir haben Freude an der Arbeit.
Pascal Scherrer: Wir haben ein ähnliches Wertesystem. Wir sind höflich im Ton und klar in der Sache. Wir wollen Probleme benennen und sie lösen.

 

Was können Sie von Beat lernen?
Pascal Scherrer: Ich bin ein leidenschaftlicher Mensch und deshalb ab und zu impulsiv. Beat lebt für mich jeden Tag vor, dass auch in der Ruhe viel Kraft liegt.
Beat Imhof: Tatsächlich arbeite ich gerne sachorientiert. Fehler können passieren. Wichtig ist, daraus das Beste zu machen. Wir haben unterschiedliche Werdegänge und decken zusammen ein breites Spektrum ab: Ich komme aus der Branche, Pascal hat den Medienhintergrund. Wenn wir beide gelernte Köche wären, wären wir gemeinsam weniger stark.
Pascal Scherrer: Wir ergänzen uns sehr gut, in der Tat. Unser Rezept: Wir haben Vertrauen ineinander, wir arbeiten lösungsorientiert. Es tönt platt, aber es ist so: Uns geht es um die Sache – und wir pflegen einen offenen und regelmässigen Dialog.

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Beat Imhof: «Wir haben hohe Ansprüche an uns. Unsere Ziele werden wir erreichen, indem wir die Mitglieder einbeziehen und eng mit den Kantonalverbänden kooperieren.» (Bild: Daniel Winkler)

Wie oft tauschen Sie sich mit Ehrenpräsident Casimir Platzer aus?
Beat Imhof: Wir haben einen regelmässigen und vertrauensvollen Austausch und wir zählen auf seine Expertise. Wir entschieden aber selbstständig.

 

Sie möchten GastroSuisse zum innovativsten und schlagkräftigsten Verband machen. Wie?
Beat Imhof: Wir schärfen unseren Plan, wie wir das erreichen wollen. Bis im Frühjahr wird die Marschrichtung klar sein. Dann geht es an die Umsetzung. Wir haben hohe Ansprüche an uns. Unsere Ziele werden wir erreichen, indem wir die Mitglieder einbeziehen und eng mit den Kantonalverbänden kooperieren.
Pascal Scherrer: Unsere Mitglieder müssen spüren, dass wir für sie Mehrwerte schaffen. Mein Ziel ist es, dass alle Mitglieder sagen: «Super, dass es Euch gibt.» Die Grundvoraussetzung dafür ist, dass wir GastroSuisse noch unternehmerischer führen und unsere Effektivität erhöhen. Wir wollen aus jedem Franken das Beste für unsere Mitglieder herausholen.

 

Was sind die grössten Herausforderungen?
Beat Imhof: Wenn wir das Image der Branche verbessern, haben wir einen Teil der Lösung wie den Fachkräftemangel oder die politische Wahrnehmung geschafft. Wir wollen in jeder Dimension als verlässlicher Partner, der zukunftsorientiert arbeitet, wahrgenommen werden: bei den Kantonalverbänden, unserem engen Partner HotellerieSuisse und unseren Sozialpartnern.

 

Enger Partner HotellerieSuisse? Wie gut ist die Zusammenarbeit mit dem Verband aus Bern?
Beat Imhof: Wir haben einen regelmässigen Austausch und eine sehr konstruktive Zusammenarbeit. Wir wollen die Herausforderungen der Branche gemeinsam angehen. Ich gehe davon aus, dass wir schon in wenigen Monaten mehr dazu sagen können.

 

Das Projekt «Avanti!» unterstützt die Branche dabei, wieder genügend Arbeitskräfte zu gewinnen. Wie gut ist Avanti unterwegs?
Pascal Scherrer: Wir sind mit der Kampagne fulminant in der Romandie gestartet und haben mit Starkoch Franck Giovannini maximale Visibilität und medialen Niederschlag erreicht. Dasselbe wollen wir im kommenden Jahr im Tessin und in der Deutschschweiz schaffen. Dazu kommt: Wir befinden uns im Gespräch mit Feldschlösschen und stehen kurz vor Lancierung eines neuen Projekts.
Beat Imhof: Bei diesem Projekt geht es darum, mehr Lehrverträge abzuschliessen, also mehr junge Leute für die Branche zu gewinnen. Die Betriebe wiederum müssen dafür sorgen, durch gute Führungsarbeit und Unternehmenskultur das Personal zu halten.

 

Christian Wagner aus Wohlen AG fragt: «Was würden Sie einem jungen Menschen antworten, der davon träumt, in der Gastronomie zu arbeiten, sich aber Sorgen um mangelnde Work-Life-Balance und die niedrige Bezahlung macht?»
Beat Imhof: Ich persönlich finde unsere Branche seit 35 Jahren die schönste Branche der Welt. Wir sind alles leidenschaftliche Berufsleute. Unsere Arbeit ist sinnstiftend, weil sie menschenorientiert ist. Die Einstiegslöhne sind in meinem Empfinden absolut wettbewerbsfähig und das Entwicklungspotenzial riesig. Dies zeigt nicht zuletzt mein eigener Werdegang.

 

Derzeit ist auch die Trinkgeldfrage ein grosses Thema.
Beat Imhof: Hier setzen wir uns ebenfalls für die beste Lösung für die Mitglieder ein. Wir wollen zumindest den Status quo halten.

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Pascal Scherrer: «Wir sind mit der Avanti-Kampagne fulminant in der Romandie gestartet und wollen dasselbe 2025 im Tessin und in der Deutschschweiz schaffen.» (Bild: Daniel Winkler)

Gabriel Bautista aus Wallisellen ZH, der langjährige Erfahrungen in der Systemgastronomie sammelte, fragt: «Wie würde das Schweizer Gastgewerbe im Fall einer weiteren Pandemie in Zukunft konkret mit möglichen Problemen wie Lockdown, Insolvenz, Restaurantschliessungen umgehen?»
Beat Imhof: Nun, wir hoffen, dass eine weitere Pandemie nicht so schnell wiederkommt. Mit den Erfahrungen aus der Coronapandemie und der guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Behörden würden wir für die besten Rahmenbedingungen für unsere Mitglieder kämpfen.

 

Camille Louveau, Marketing Manager beim Landgasthof Riehen BS, fragt: «Von welcher gastronomischen Premiere träumen Sie, die einst im Markt eingeführt werden soll?»
Beat Imhof: Wir träumen davon, dass wir eine Award-Veranstaltung haben für unsere Branche, wo sich die Unternehmerinnen und Unternehmer sowie die Branche feiert. Und dass das nicht nur im Verband wahrgenommen wird, sondern mit einer Strahlkraft bis zur Bevölkerung.

 

Und Ramon Sprenger, Mitglied der Klinikdirektion der Rehaklinik Dussnang TG, will wissen: «Die Gastrobetriebe im Gesundheitswesen bilden seit Jahren eine Vielzahl des Gastrofachpersonals aus und haben gut etablierte gastronomische Angebote. Trotzdem sind sie in keinem Organ von GastroSuisse vertreten. Gibt es Absichten, dies zu ändern?»
Beat Imhof: Der erwähnte Zweig und die Ausbildung sind für unsere Branche sehr wichtig. Wir sind offen für alle, die sich bei uns engagieren wollen.

 

Wie sieht Ihr Ausblick fürs nächste Jahr aus?
Beat Imhof: Es ist sehr wichtig, in die politische Arbeit zu investieren. Der Fachkräftemangel ist ein Thema mit erster Priorität. Weiterhin auf der Agenda wird die Hotelfachschule Zürich sein. Wir prüfen alle Optionen. Dazu gehört ein Modell, wie wir die Schule neu aufstellen könnten. Klar ist: Wir dürfen als Verband wirtschaftlich nicht mehr in der Pflicht stehen.

 

Weniger weit entfernt ist der Ausblick auf Weihnachten. Wie feiern Sie diese?
Beat Imhof: Nach sehr viel Action freue ich mich darauf, ein paar erholsame Tage mit der Familie zu verbringen. Ich koche für unsere Familie und die Eltern etwas Feines. Bewusst gibt es kein Fondue Chinoise oder Raclette. Das Standardmenü bei uns ist wunderbares Roastbeef mit selbstgemachter Sauce ­Béarnaise, Pommes Savoyarde und Wintergemüse. Und zum Dessert bereitet meine Mutter traditionsgemäss eine gebrannte Crème zu.
Pascal Scherrer: In unserer Familie sind wir auf einem so bescheidenen Niveau, dass das von Beat verschmähte Fondue Chinoise den kulinarischen Höhepunkt an Heiligabend bildet (lacht). Und ansonsten halte ich mich an die Aussage des deutschen Komikers Karl Valentin: «Wenn die stille Zeit vorbei ist, wird es auch wieder ruhiger.»

 

Die Leserschaft fragt
Dieses Interview sorgt gleich für drei Premieren: Erstmals überhaupt werden der Präsident und der Direktor von GastroSuisse gemeinsam befragt. Zweitens konnte die Leserschaft im Vorfeld fragen stellen (farblich ausgezeichnet). Christian Wagner erhält für seine originellste Frage den 1. Preis: ein Abendessen für zwei Personen im Restaurant Orsini des Zürcher Luxushotels Mandarin Oriental. Das Interview fand drittens im Landgasthof Riehen BS statt.