«Ich möchte die Zuger und Zugerinnen wachrütteln»

Corinne Nusskern – 28. Dezember 2024
Noémie und Dejan Migliore betreiben das wahrscheinlich kleinste Restaurant in Zug: Das Unico am Rande der Zuger Altstadt hat gerade mal 20 Plätze. Sie setzen auf ein spezielles Konzept mit einem einzigen Viergänger und ohne Walk-ins – dafür mit wirtschaftlicher Verteilung auf zwei Standbeinen.

Zwei grosse Töpfe stehen auf den Kochplatten neben dem offenen Fenster in der 12 Quadratmeter kleinen Küche. Es brodelt, saftiger Fleischgeruch steigt auf, Rindsjus «in progress». Es riecht fan­tastisch. Muss es auch, denn nicht nur der Restaurantname Unico (einzigartig) verpflichtet, auch jener der Gastgeber: Mi­gliore (am besten).

«Und wie!» sagt Noémie Migliore lachend. Sie ist gelernte Köchin mit einem prall an Erfahrungen gefüllten Rucksack. Zusammen mit ihrem Mann Dejan, Gastroquerein­stei­ger, Allrounder und assistierender Koch, hat sie den Betrieb in der einstigen Käserei im über 100-jährigen Haus mit vielen denkmalgeschütztem Segmenten 2023 übernommen.

Man fühlt sich im stilvoll eingerichteten Uni­co mit gerade mal 20 Plätzen sofort wohl. «Dadurch können wir sehr persönlich mit den Gästen sein, ganz nach alter Schule mit Begrüssung, Mäntel abnehmen und zum Tisch begleiten», erklärt das Pächterpaar.

Unico-Motto: «Gourmet-Soulfood»!

Ihr Konzept ist anders, beruht auf Reservationsbasis ohne Walk-Ins, und es wird ausschliesslich ein Viergangmenü auf hohem Niveau aus rein saisonalen und regionalen, maximal schweizweiten Produkten, serviert. «Vie­le Gäste sind sogar froh, dass wir ihnen die Entscheidung abnehmen», sagt Dejan. «Sie müssen nur noch wählen, ob sie das Menü mit Fleisch und Fisch oder in der vegetarischen Variante möchten, und ob mit oder ohne Weinbegleitung.»

Das Unico-Motto lautet Gourmet-Soulfood. «Wir machen alles, was die andern nicht machen, und alles selbst», führt Noémie aus. Da landen auch mal fast vergessene Gerichte wie Coq au vin auf der Karte. Noémis Vater ist Jäger und bringt ihnen Gämse, Reh, Hirsch.

Kürzlich kreierte Noémie passend dazu eine «beschwipste Hirschleberpraline» mit Cognac, Mohn und Aprikosengel als Amuse-Bouche. Auszug aus dem aktuellen Viergänger: Swisslachs mit Cru Caviar und Trüffel-Espuma, Safrancrèmesuppe, souvidierte Rinder-Shortrib an Thymian­jus mit Morchelpudding, Champagnermousse mit Zimtgranola, Yuzugel und 22-Karat-Gold. Dazu ihr hausgemachtes Brot, das ofenwarm serviert wird.

C Unico klein

Das Restaurant Unico am Rande der Zuger Altstadt. (Bild: Corinne Nusskern)

Kantine? Gourmet? Noémie war dort

Noémie hat ihr erstes Restaurant bereits mit 20 geführt, ein Betrieb in Obwalden mit 250 Plätzen. «Aber nur für ein Jahr, es war zu früh, eine Schnapsidee», winkt die Baarerin mit sizilianischen Wurzeln ab. Im Laufe ihrer Kochkarriere hat sie in 85 (!) verschiedenen Küchen in der Deutschschweiz gekocht: Sie arbeitete viele Jahre als selbstständige Mietköchin für professionelle Gastrobetriebe, damals eine Marktlücke. «Ich wollte ein­fach alles sehen!», sagt sie.

Mal dauerten die Einsätze eine Woche, mal mehrere Monate. Dabei erweiterte sie nicht nur ihr Netzwerk, sondern hat überall etwas gelernt, ob in Mitarbeiterkantinen, in Hotels, in Metzgereien, in Gourmetrestaurants oder dem The Five-Event, an dem sie viermal gekocht hat.

«In manchen Küchen bist du 17 Stunden hochkonzentriert und machst alles selbst, und in Kantinen, die 2000 Leute versorgen, werden oft nur Päckli geöffnet», erzählt sie. «Aber was ich dort an Kalkulation und Tempo gelernt habe, unglaublich! Mich kann man in jede Küche stellen, innerhalb einer Stunde finde ich mich zurecht.» All diese Erfahrungen sind für die Selbstständigkeit Gold wert.

Kleine, feine Geschäftsessen

Im Unico macht der Anteil an Stammgästen rund 40 Prozent aus. «Die Ur-Zuger erkenne ich sofort, sie bestellen immer einen Zugerwein», sagt Dejan schmunzelnd. Besonders gefreut haben sie sich über jene vier Gäste, die extra für ein Abendessen aus dem Tessin angereist sind. Das Menü wechselt alle vier Wochen. Doch es kommt vor, dass Gäste ein Menü so sehr mögen, dass sie erst mit dem Ehemann und ein zweites Mal mit einer Freundin vorbeikommen.

Jetzt im Dezember haben sie von Dienstag bis Samstag geöffnet und sind fast jeden Abend ausgebucht. Ausser in den Monaten Oktober, November und Dez­ember ist das Unico normalerweise nur abends von Donnerstag bis Samstag geöffnet. Auf Anfrage öffnen Migliores das Restaurant ab sechs Personen auch an allen anderen Werktagen.

Auch mittags. Denn das kleine Bijou ist äusserst beliebt für Geschäfts­essen, verbunden mit Sitzungen. «Top-Wirtschaftsleute schätzen es sehr, dass sie hier unter sich sind. Sobald sie reden, ziehen wir uns zurück. Wenn sie etwas brauchen, klingeln sie», erklärt Dejan. Alle Mitarbeitenden unter­zeichnen eine Verschwiegenheitsvereinbarung bezüglich wer im Unico isst und worüber sich die Gäste unterhalten. Das Pächterpaar arbeitet mit einem Pool von 14 Mitarbeitenden auf Stundenlohnbasis, im Unico sind es immer die gleichen.

Die Idee: Lunchbuffets für Büro

Manchmal gibt es im Unico Abende, die sind ganz ruhig, andere voller Leben und Gäste. Migliores wünschten sich etwas mehr Konstanz – vor allem im Sommer, wenn es die Leute an den See zieht. «Da rettet uns das Catering, unser zweites Standbein», so Noémie. Rund 60 Pro­­zent ihrer Arbeitszeit wenden sie für das Restaurant auf, 40 Prozent für das Catering, die zwei Sektoren stützen sich wirtschaftlich gegenseitig. «Und uns macht beides Spass, beim Catering sehe ich Villen und Schlösser, die ich sonst nie betreten könnte!», sagt Dejan.

Letzten Sommer starteten sie zudem mit Businesscaterings: Sie liefern komplette Lunchbuffet direkt in die Büros. Ein Erfolgsmodell. Beim Catering sei zwar der Aufwand generell grösser, dafür lohne es sich wirtschaftlich enorm und es sei gut im Vorfeld planbar, so Noémie. «Obwohl wir im Restaurant aktuell gut gebucht sind, weiss man nie, wie es im nächsten Monat läuft.»

Der Grossvater ist erst mal skeptisch

Die Inspiration für die Unico-Menüs finden Migliores oft in der Natur, in der sie täglich mit ihren vier Hunden unterwegs sind. «Dann fliessen die Ideen, etwa zu einer Fichtenvelloute oder einem Arven­espuma», sagt Noémie. Ihr Anspruch an sich selbst: Vollgas geben und sich mit jedem Menü verbessern. «Und ich möch­te die Zuger und Zugerinnen mit meinen Kreationen wachrütteln.»

Was macht am meisten Spass? «Die Selbstständigkeit sowie die glücklichen Gesichter und die leeren Teller», sagt Dejan. Und Noémie erzählt, wie Gäste, die ihr Konzept nicht kennen, mit jedem Gang mehr aufblühten. «Bei einer Familienfeier war der Grossvater zu Beginn etwas skeptisch und fragte bei jedem Punkt im Teller, was dies sei», sagt sie lachend. «Am Ende war er begeistert.»

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Das wohl kleinste Restaurant Zugs
Wenn es draussen dunkel ist, wirkt das Restaurant Unico von Noémie und Dejan Migliore mit all den Kerzen und Lämpchen wie eine heimelige Stube. Sie bietet Platz für 20 Gäste, bei Banketten finden 25 Personen Platz. Die Menükarte besteht aus einem Viergangmenü auf hohem Niveau: mit Tier ab 96 Franken, vegetarisch ab 85 Franken. Auf Voranmeldung sind glutenfreie und vegane Varianten möglich. Das Wirtepaar führt zudem den Catering- und Privatkochservice minode.ch.