Freundlich sein kann jeder
2012 erhielt ich einen Anruf. «Frau Ballmer, Sie geben doch Servicekurse, wäre es möglich, wenn Sie bei uns einen Kurs für mehr Freundlichkeit geben würden?» Ehrlich, es klang fremd für mich, weil Freundlichkeit doch etwas Intuitives ist und dazu gehört, insbesondere wenn man im Service arbeitet… «Aber klar, mache ich gerne!»
Dann stolperte ich über den Fehler, den viele tun, wenn man Leistung steigern und dabei Verhalten verändern sollte. Ich plante ein Training mit äusseren Impulsen. Klassisch nach Buch. Vom Sport war ich es gewohnt zu trainieren. Und so ging ich damals mit Freundlichkeit an die Sache. Training und Fleiss dachte ich, da verändere ich den Menschen. Noch während dem Kurs realsierte ich, sch***** was tue ich da? Ich erkläre den Menschen, wie sie sich zu verhalten haben - so nach dem Motto: Schau den Menschen in die Augen, lächle sie an, wenn sie zur Türe hereinkommen.
Doch das ist keine echte Freundlichkeit, die auch Emotionen auslöst. Das sind Regeln, die man einhält. Das sind Floskeln. Als mich ein Teilnehmer fragte, wie ich das tue, die Menschen so für mich zu gewinnen, bei mir wirke das nicht gespielt, dachte ich zuerst, ich habe eigentlich keine Ahnung - es gehört einfach zu mir, ich spüre, was die Menschen möchten und das ist es …
Ein paar Tage später wurde mir bewusst, dass Freundlichkeit weit mehr ist als diese auferlegten Regeln. Weit weg von einem Training, so wie ich es machte oder wie man es vielleicht von der Schule kannte. Ich erinnerte mich daran, was mich der Teilnehmer fragte. Da wurde mir klar: Freundlichkeit ist vielmehr als standardisierte Regeln - es ist ein Mix aus innerer Haltung, aus innerer Aufgeräumtheit, Selbstvertrauen, Demut, Gespür für das Gegenüber und auch ein Teil Bildung und Erziehung. Und all dies gibt die Fähigkeit zu spüren und somit das Richtige im richtigen Ton zu tun und zu sagen. Viele Menschen sind nicht unfreundlich, doch sie haben vielleicht Mühe, sich zu spüren oder haben Ängste, die sie arrogant, vorwitzig oder hart rüberkommen lassen.
Seither habe ich keine Freundlichkeitstrainings oder Vorträge auf diese Weise mehr abgehalten. Vielmehr habe ich mit den Menschen an ihrem Umgang mit ihrer Persönlichkeit gearbeitet. Ich gebe ihnen den Impuls, sich zu spüren, ihre Emotionen wahr zu nehmen und in sich klar zu werden. Es ist erfreulich, wie viel Strahlkraft da dann plötzlich aus den Menschen kommt. Freundlichkeit ist weit mehr als ein eintägiger Kurs. Aber es ist auch nicht eine Unmöglichkeit, ein freundlicher Mensch zu sein. Was es jedoch braucht, ist die Bereitschaft zur Achtsamkeit.
Fabienne Ballmer / Präsidentin GastroBaselland