Jugendschutz und Alkohol: Prävention am falschen Ort?

Oliver Borner – 17. Januar 2024
In den Kantonen Bern und Luzern wurde im vergangenen Jahr in der Gastronomie mehr Alkohol an Minderjährige verkauft als zuvor. Die Branche anerkennt das Problem - stellt aber gleichzeitig die Testkäufe in Frage.

Eigentlich ist die Rechtslage klar: In der Schweiz darf kein Alkohol an Jugendliche unter 16 Jahren verkauft werden. Zwischen 16 und 18 Jahren dürfen Jugendliche nur Bier, Wein und Most erwerben. Dennoch nehmen es einige Betriebe beim Verkauf dieser Produkte offenbar nicht so genau, wie es das Gesetz vorschreibt. Das zeigt eine Erhebung der Kantonspolizei Luzern, welche 2023 in Verkaufsstellen, Gastronomiebetrieben und Lieferbetrieben insgesamt 68 Testkäufe durchgeführt hat.

Demnach halten 46 Prozent der Betriebe im Kanton die Bestimmungen des Jugendschutzes nicht ein. Auffällig dabei: Mehr als die Hälfte (51 Prozent) der getesteten Gastronomiebetriebe verkaufte Alkohol an Jugendliche, die eigentlich zu jung für den Konsum wären.

Diese Zahlen sorgen bei Urs Renggli, Chef Gastgewerbe und Gewerbepolizei, für Sorgenfalten. «Der Anteil an Betrieben, die alkoholische Getränke an Jugendliche verkauft haben, ist hoch», sagt er. Die Zahlen zeigen, dass weiterhin grosser Handlungsbedarf bestehe, auch in der Gastronomie.

Dabei engagiert sich der Kanton zusammen mit Akzent Prävention und Suchttherapie Luzern seit Jahren für die Einhaltung der Richtlinien. «Wir stellen den Gastrobetrieben jeweils Jahrgangstabellen als Hilfsmittel zur Altersberechnung zur Verfügung. Es gibt zudem Online-Gratisschulungen für das Verkaufspersonal an Festwirtschaften. Auch werden immer wieder Informationsschreiben an die Betriebe versandt», so Renggli.

Ursachen sind vielfältig

Woran liegt es also, dass Jugendliche im Schutzalter trotz Jugendschutz auch in der Gastronomie an Alkohol kommen? Patrick Grinschgl, Co-Präsident von GastroLuzern, sieht einen Teil der Ursache beim Personal. Insbesondere die regelmässigen Personalwechsel in der Gastronomie seien eine Herausforderung. «Alle zwei bis drei Jahre hat man im Schnitt ein komplett neues Serviceteam. Das macht die Situation für das Gastgewerbe nicht einfacher.»

Er weist zudem darauf hin, dass Fehler bei Personal passieren können. «Wenn im Betrieb viel los ist, kann es mal passieren, dass die Kontrolle vergessen geht oder bei der Kontrolle der Jahrgang falsch abgelesen oder gerechnet wird». Er hält fest, dass das Personal in der Gastronomie bereits in der Ausbildung geschult werde und man bemüht sei, die Fehlerquote zu senken.

Sind Testkäufe sinnvoll?

Dennoch stellt Grinschgl den Sinn der Testkäufe in der Schweiz in Frage. «Aus der Sicht vieler Gastronomen und Verbände wird die Prävention am falschen Ort gemacht. Der Anteil des widerrechtlich verkauften Alkohols ist in der Gastronomie seit Jahren auf einem konstanten Niveau», sagt er.

Auf Grund der hohen Preise komme es praktisch nie vor, dass sich minderjährige Jugendliche in Gaststätten betrinken. Dies passiere vielmehr an Events oder privaten Veranstaltungen. «Dort müsste aus meiner Sicht der Hebel der Prävention angesetzt werden, nicht in der Gastronomie», so der Luzerner. Die Tests würden von vielen Betrieben als Schikane wahrgenommen.

«Es fehlt teilweise das Bewusstsein»

Nur teilweise Verständnis für dieses Aussagen hat Lea Leuenberger. Sie ist Jugendschutz-Verantwortliche vom Blauen Kreuz im Kanton Bern-Freiburg und Solothurn. «Wir wollen mit den Testkäufen niemanden belästigen oder blossstellen. Wir wollen die Gastgeberinnen und Gastgeber auf den Jugendschutz aufmerksam machen», sagt Leuenberger. Die Testkäufe seien gesetzlich erlaubt und auch für den Schutz der Betriebe gedacht. «Hält sich ein Betrieb an den Jugendschutz, muss er auch keine Konsequenzen befürchten.»

Viele Testkäufe hätten zudem gezeigt, dass in den Gastrobetrieben das Bewusstsein und das Wissen zum Jugendschutz fehlten. «Die Sensibilisierung ist daher offensichtlich in manchen Fällen notwendig», so Leuenberger. Dabei ginge es vor allem darum, dass die Angestellten wissen, was Jugendschutz ist und wie er in der Schweiz funktioniert.

Dennoch anerkennt sie, dass die Prävention ausbaufähig ist. «Es ist sicher richtig, dass Testkäufe an Events oder im Online-Handel verstärkt werden müssen.» Auf Testkäufe in der Gastronomie werde man trotzdem nicht verzichten. «Die Betriebe haben die Verantwortung, den Jugendschutz einzuhalten. Es ist unsere Aufgabe, zu überprüfen, ob dies auch gemacht wird.»